Teilzeit-Selbstständigkeit – Chance oder Bremse?
Mein Beitrag zur Blogparade von Beatrice Krammer
Ich bin schon oft gefragt worden, wie ich zu Teilzeit-Selbstständigkeit stehe. Ob ich diesen Weg empfehlen würde und wie meine Erfahrungen sind. Im Rahmen eines Coachings schummle ich mich in der Regel ohne Antwort aus dieser Frage. Ich bin mir meiner klaren Haltung zu diesem Thema sehr bewusst und noch bewusster, meiner Vehemenz mit der ich diese vermutlich vertreten würde und genau das möchte ich nicht. Selbständigkeit ja oder nein, das hat für mich sehr viel mit Persönlichkeit zu tun und das braucht meiner Meinung nach ein feines Händchen im Coaching und nicht meine persönliche Welle an Begeisterung.
Aber da kommt die Blogparade von Beatrice Krammer gerade recht. Hier und heute will ich meine Haltung frei von der Leber weg in Worte fassen. Außerdem passt der Zeitpunkt gerade wie die Faust aufs Auge denn…
Wie alles begann und vielleicht genau so kommen musste
Im August 2003 bin ich meine Selbstständigkeit angetreten. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass ich über Teilzeit-Selbstständigkeit überhaupt nachgedacht hätte. Das WAS (will ich anbieten) war Dreh- und Angelpunkt meiner Entscheidungen, das WIE (wie viele Stunden) spielte keine Rolle.
Das mag schon daran gelegen haben, dass ich nur ganz oder gar nicht kann. Ich bin einfach nicht gut in Grautönen. Ich kann schwarz und ich kann weiß. Ja oder nein. Aber vor allem kann ich nur 100 % (mindestens). Egal, was ich tue, ich tue es am liebsten mit Haut und Haar. Witzigerweise ist es dann sehr viel weniger anstrengend für mich als ein bisschen hier, ein bisschen da. Letzteres macht mich platt. Vermutlich weil 2 x 100 % einfach anstrengender ist.
Dieser Umstand ist in Anbetracht meines bunten Hund Daseins und den vielseitigen Interessen allerdings ziemlich knifflig. Denn sich nur einer Sache verschreiben, das geht ja irgendwie auch nicht. Gut, dass sowohl der Job des Coaches als der der Trainerin bunt und vielseitig ist.
Ein weiterer Aspekt, wie meine Persönlichkeitsstruktur die Wahl der Selbstständigkeit beeinflusst, ist mein schier grenzenloses Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung.
Seit 1982 hatte ich eine klare Antwort auf die Frage, was ich später einmal machen will: „Das was der Mann aus Ich heirate eine Familie macht!“. Das war gesetzt! Wer die Serie nicht kennt, er ist Grafiker. In den 80ern bedeutete das noch den ganzen Tag am Zeichentisch malen dürfen. 😍
Viele Jahre später kam mir der Gedanke, mein Berufswunsch war vielleicht all die Jahre nur ein Missverständnis. Das Zeichnen gut und schön aber heute bin ich mir sicher, es war gleichermaßen auch das Arbeitsmodell, welches mir damals schon sehr verlockend schien. Der Mann arbeitete, wann ER wollte. Er arbeitete viel, nachts, gestresst war er auch aber… er arbeitete grundsätzlich so wie es ihm, in den Kram passte. 😍 😍 😍
Selbstständigkeit muss zu dir passen
Das ist auch der Grund, weswegen ich niemals nicht einfach so die Selbstständigkeit empfehlen würde. Auch, wenn ich zu 100 % dahinter stehe und am liebsten „Ja, ja, ja!“ rufen würde. Denn die Kehrseite gibt es eben auch. Was habe ich im ersten Jahr gelitten, wie oft meine Grenzen nicht nur überschritten, sondern gesprengt und heulend in der Ecke gesessen, wenn es am Ende dann trotzdem nicht klappte. Es braucht ein starkes WARUM, um nicht gleich wieder einzuknicken.
Willst du wachsen, dann mach die selbstständig!
Das kann ich uneingeschränkt sagen. Es ist der Turbo der Persönlichkeitsentwicklung. Vor 18 Jahren zumindest. Ohne die Vorzüge von Internet und Social Media ist manches kniffliger.
Und genau deswegen muss es auch zu unserem Sein passen. Brauchst du Vielseitigkeit, Abwechslung und ein Grundmaß an Selbstbestimmung? Prima. Machen, und zwar richtig. Richtig ist für mich Vollzeit.
Steht das Bedürfnis nach Sicherheit, Beständigkeit und Berechenbarkeit ganz vorne, dann ist die Gründung im Team oder aber die Teilzeit-Selbstständigkeit sicher ein guter Einstieg. Also auch machen. 😉
Teilzeit-Angestellt – manchmal hat es auch mich erwischt.
Ist man eigentlich Teilzeit-Selbständig oder Teilzeit-Angestellt? Da geht es doch schon los. Worauf liegt dein Fokus, welche Rolle spielt die erste Geige?
Wohl wissentlich, dass ich eigentlich nicht fürs angestellt sein geschaffen bin, hat es mich immer mal wieder in Teilzeit-Jobs, bzw. feste freie Arbeitsverhältnisse gelockt. Warum das so ist, dafür musste ich gerade echt tief graben.
Meist bin ich da so reingeschliddert. Durch einen Auftrag und weil es da so nett war, bin ich halt geblieben. Es ist so schön bequem. Man bekommt eine Struktur (da sie anfangs neu ist, tut sie nicht einmal mir weh), muss sich weniger Gedanken um Aufträge machen und am Ende ist die vermeintliche Sicherheit auch ein ganz gutes Argument.
Und was erst so schön gemütlich wirkt, wird mir schnell langweilig. So sehr ich manchmal über die vielen Rollen, die man als Selbstständige zu bedienen hat schimpfe, ich vermisse sie auch schnell. Mein Hirn denkt einfach schnell, groß und ganz frech über Grenzen hinaus. Darf es aber nur auf seinem Teller rumdenken (und das gibt es erstaunlich oft), fängt es an zu schrumpeln, wird frustriert und beschießt mich mit traurigen Gedanken-Blitzen. Ich gehe ein wie ein Primelchen.
Teilzeit-Selbstständig – Erfolgskonzept oder Flop?
Welches ist denn nun der beste Weg? Von mir gibt es ein klares: Kommt drauf an!
Es kommt auf DICH an. Darauf, wie du gestrickt bist. Damit meine ich nicht, man müsste sich frei von Angst diesem Schritt stellen. Angst gehört meiner Meinung dazu, ich finde sie sogar wichtig denn meine Güte, da kommt was auf dich zu. Wunderbares, manchmal wird es aber auch etwas unbequem. Ich glaube, das nennt man LEBEN.
Selbstständigkeit gelingt aus meiner Sicht nur, wenn du mit ganzem Herzen dabei bist. Wenn du dich (d)einer Sache verschreibst und beim Gedanken daran morgens aus dem Bett springst. Wenn du diese Energie auch in Teilzeit-Selbstständig hinbekommst, ein klares GO von mir.
Ich selbst habe diesen Spagat nie hinbekommen. Auch in der Teilzeitstelle kann ich nicht nur halbe Kraft fahren und dann… dann geht mir für meine Projekte gerne mal die Puste aus. Ein Schelm wer da einen Zusammenhang mit meiner Bloggerei sieht. 😉
Fazit
Rückblickend kann ich sagen, immer, wenn ich nur in Teilzeit-Selbstständigkeit unterwegs war, stagnierte mein Business. Es dümpelte vor sich hin. Von Vorwärtsbewegung keine Spur. Von erfolgreich oder happy… noch viel weniger.
Liebe Britta,
das ist eine total wichtige Frage von dir: „Ist man eigentlich Teilzeit-Selbständig oder Teilzeit-Angestellt?“!
Bei mir hat es sich im Lauf der Zeit gedreht. Zuerst hatte ich mich immer als „Angestellt als Programmiererin und nebenbei selbständig als …“ vorgestellt, bis ich gemerkt habe, dass das meine Selbständigkeit ausbremst.
Erst nach dem Drehen (vor allem im Kopf) ging’s mit meiner Selbständigkeit aufwärts!
Danke für den tollen Beitrag!
Liebe Grüße
Claudia
Liebe Claudia,
danke dir für deinen Kommentar.
Vermutlich ist das Drehen im Kopf der entscheidende Punkt.
Rückblickend finde ich es interessant und irgendwie witzig, dass ich eine „Nebenbei-Gründung“ nie in Betracht gezogen habe. Ich hatte mir dafür ein halbes Jahr „Spielen“ auf die Agenda gesetzt. Ausprobieren, gucken was passiert, und dann entscheiden ob weitermachen oder wieder zurück.
Es passierte in den sechs Monaten glücklicherweise genug, um dabei zu bleiben. 18 Jahre ist das her… auch irgendwie spooky.
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta,
ich bin ja nun seit Januar Vollzeit-Selbständig und habe viele Jahre den entgültigen Sprung nicht gewagt. Bis ist gezwungen wurde. Dann kam die ganze Trauerkurve nach Kübler-Ross 😉 und jetzt kann ich zumindest sagen, dass es „ganz gut“ läuft. Noch nicht so sicher und gut, wie das andere Modell, aber besser, als ich es jemals angenommen hätte. Wenn ich das vorher gewusst hätte… wäre ich schon vor 10 Jahren in die volle Selbständigkeit gesprungen. Seit dem zumsel ich nämlich rum.
Liebe Grüße und weiterhin viel Erfolg
P.S.: Ich heirate ein Familie war der Inbegriff für ein schönes Familienleben. Da ich in den 70ern selbst in einer Patchworkfamilie groß geworden bin (war damals überhaupt nicht üblich war) war das immer meine Vision 🙂
Liebe Simone,
es freut mich, dass es nach dem langen „zumseln“ (was für ein wunderbares Wort 😍) gut angelaufen ist. Weiterhin viel Erfolg und gutes Gelingen für dein Schaffen.
Liebe Grüße Britta